«Oh! Die Nummer 56 vom HC Prättigau ist da»

21.2.2025, 09:30

Als Zwölfjähriger stiess er zum HC Davos. Nun, rund 23 Jahre später, wird seine Nummer 56 unter das Hallendach gezogen. Dino Wieser wird vor dem heutigen Meisterschaftsspiel offiziell geehrt und in den illusteren Kreis der HCD-Legenden aufgenommen.

«Dino du bist eine Legende, jetzt auch offiziell», heisst es in der Botschaft des HCD. Und ja, die Nummer 56 hat in Davos schon lange Legendenstatus und wird ab heute Abend für immer unter dem Hallendach hängen. Dino Wieser ist in der schnelllebigen Sportwelt ein unvergleichbares Musterbeispiel für Vereinstreue. Es sind Zahlen, wie man sie wohl nicht nochmals findet: 18 Saisons, 722 Spiele, vier Meistertitel, ein Spenglercup, fast 300 Skorerpunkte, und das alles für einen Verein.

Eine unverhoffte Ehre
Wirklich daran gedacht eine HCD-Legende zu werden hat Dino nie. «Als ich als kleiner Bub beim HC Prättigau anfing, hätte ich nie gedacht, dass meine Nummer irgendwann bei einem so geschichtsträchtigen Verein unter dem Stadiondach hängen würde.» So wurde er denn auch von seinem Team vor dem Training in der Kabine mit der Kunde überrascht. «Ich wusste von nichts, aber irgendetwas sagte mir, ich muss mich für die Nachricht hinsetzen. Meine Jungs haben nur darauf gewartet, bis ich emotional werde. Aber ich hatte mich in der Kabine recht gut unter Kontrolle. Dann sind wir raus aufs Eis, ich habe im Eispalast umhergesehen, und da kullerte dann doch eine Träne.» 

Der einzige Vereinswechsel der Karriere
Der Weg ins Eisstadion und in die Herzen vieler Davoserinnen und Davoser begann für den gebürtigen Kübliser beim HC Prättigau. Schon damals lief er mit der heute bekannten Rückennummer auf. Allerdings war er in Kindheitstagen nicht wirklich gewillt, zum HCD zu gehen. «Wir spielten immer wieder gegen Davos und gewannen fast immer. Und ich wollte nie zu den Verlierern wechseln.» Als dann jedoch Bruder Marc nach Davos wechselte, zog Dino später nach. «Ich fühlte mich extrem geehrt, als ich zum ersten Mal in die Garderobe kam und meine neuen Teamkameraden raunten ‹Oh! Die Nummer 56 vom HC Prättigau ist da.›» Es war ein Wechsel, der viel veränderte und ebenfalls die Eltern der Gebrüder Wieser vor neue Herausforderungen stellte. «Unsere Eltern haben ihre persönlichen Bedürfnisse stets hinter die von Marc und mir gestellt. Wir wohnten noch recht lange in Küblis, und der Weg nach Davos und zurück war nicht ohne. Zudem waren Marc und ich in zwei verschiedenen Stufen. Heisst wir hatten nicht gemeinsam Training. Unsere Eltern sassen deshalb teils bis zu vier Stunden in der Halle. Ich ziehe wirklich den Hut vor dem Effort, den unsere Eltern geleistet haben, damit wir unseren Traum verwirklichen konnten.»

Debüt als 16-Jähriger
Ein Traum, der für Dino schon in jungen Jahren in Erfüllung ging. Nach dem Wechsel vom Prättigau nach Davos ging es mit der Entwicklung des talentierten Stürmers auch dank der guten Trainingsbedingungen steil bergauf. Bedingungen, die genau in jener Saison auch NHL-Grössen aufgrund des Lockouts in Anspruch nahmen. «Mein erstes Profitraining hatte ich während der Lockout-Saison mit Rick Nash, Joe Thornton und Niklas Hagman. Ich war unglaublich nervös, mit diesen NHL-Cracks auf dem Eis zu stehen.» 2005 gab er dann als 16-Jähriger sein Debut als Profi. Und der Rest ist Geschichte. Dino legte die unglaubliche Karriere mit zig Höhepunkten hin, die ihn nach und nach zur Legende werden liessen. «Die schönsten Momente im Leben eines Sportlers sind natürlich die Titel. Es ist der Lohn für die harte Arbeit, die jeweils schon im Sommer im Kraftraum beginnt. Aber es gab natürlich auch viele andere Highlights. Auf und neben dem Eis. Wir waren stets eine wilde Truppe, die auch neben dem Hockey einen tollen Zusammenhalt hatte und wusste, wie man Spass haben kann. Und als junger Wilder musste ich auch meine Hörner abstossen.»

Der wichtige Ausgleich neben dem Hockey
Genau diesen Umständen neben dem Profisport ist es zu verdanken, dass Dino dem HCD über die gesamte Zeit seiner Karriere erhalten geblieben ist. «Ich hatte von jedem Verein der Schweiz einmal ein Angebot auf dem Tisch. Ausser vom SC Bern, nach Hörensagen meinten diese, ich sei ‹rufschädigend›. Ein Wechsel stand ab und zu im Raum. Gerade als Marc zu Biel wechselte und nach drei Jahren wieder zurückkehren wollte. Da waren wir in Gesprächen mit dem HC Lugano und kurz davor, gemeinsam im Tessin zu unterschreiben. Aber schlussendlich haben wir uns glücklicherweise dazu entschieden, wieder gemeinsam in Davos aufzulaufen.»
Für den bodenständigen Prättigauer war Hockey stets wichtig, aber nie alles. «Für mich war das Leben rund ums Eishockey immer sehr wichtig. Ich habe es geschätzt, dass wenn ich aus der Halle gekommen bin, ich für alle ‹Dorfjunge Dino› war. Bei einem anderen Verein, in einer anderen Stadt, wäre dies sicher nicht so gewesen. In Davos hatte ich meinen Kollegenkreis, der mich einfach als Dino sah und nicht als Wieser mit der Nummer 56. Das hat mir einen wichtigen Ausgleich gegeben neben dem Hockey. Zudem bin ich als naturverbundener Mensch gerne in den Bergen unterwegs, wo kann ich das besser leben als in Davos?»

«Bei meinem Spielstil muss man unerschrocken sein»
Unglücklicherweise nahm die einzigartige Karriere Dinos im Winter 2020 eine abrupte Wende, als er sich nach einem Check eine Hirnerschütterung zuzog. «Es war ein einschneidender Moment in meinem Leben. Ich hatte schon seit 2017 mit Kopfgeschichten zu kämpfen. Schon als ich an diesem Abend in der Garderobe sass, wusste ich, dass es das gewesen sein könnte. Es sind ein paar Tränen geflossen, da sich meine Welt um das Hockey drehte und es sozusagen vom einen auf den anderen Tag fertig war. Das war schon hart.» 
Leider erholte sich der Publikumsliebling nicht von dieser Verletzung. «Bei meinem Spielstil muss man unerschrocken sein.» Definitiv, dies zeigen auch die über 750 Strafminuten, die Dino in der höchsten Schweizer Liga sammelte. Allerdings war er nahe dran, wieder aufs Eis zurückzukehren. Die Hoffnung auf ein Comeback wurde jedoch nicht erfüllt. «Ich habe mich damals mit Christian Wohlwend im Kaffe Klatsch getroffen, und er meinte, er könne es nicht verantworten, mich aufs Eis zu schicken, weil er mich als Mensch sehr schätze und er Angst habe, dass es bei einer erneuten Verletzung zu Langzeitschäden kommen könnte. Da bin ich ihm extrem dankbar, dass er den Mut hatte, dies mir zu sagen. Das hat mir dann auch einen Ruck gegeben, mich anders zu orientieren.» Beschwerden aufgrund der Hirnerschütterung hat Dino heute keine mehr. «Einen Flick ab hatte ich ja schon immer.»

Vom Vollblutprofi zum Vollbluttrainer
Gleich nach dem abrupten Ende der Profikarriere sah man Dino als Trainer an der Bande, was nicht von Anfang an der Plan war. «Nach der Hirnerschütterung wollte ich zuerst gar nichts mehr mit Hockey zu tun haben und eine Schreinerlehre beginnen. Aber als ich allerdings das erste Mal als Coach an der Bande stand, hat es mich gleich gefesselt, mit den Jungs zu arbeiten, und seit da bin ich Vollbluttrainer. Ich gebe meine Erfahrungen extrem gerne den jungen Spielern weiter und geniesse die Arbeit mit meinen Jungs.»
So wichtig wie Dino für die heutigen Junioren ist, so hatte auch er zu Beginn seiner Karriere seine Mentoren und Patrons. «Ich habe über die Jahre viele Menschen getroffen, die mich unterstützt und gefördert haben, diesen bin ich unendlich dankbar. Es ist nicht einfach, als junger Spieler reinzukommen und den Druck zu spüren, da haben mir die Routiniers sehr geholfen. Alle wichtigen Personen aufzuzählen, würde jedoch den Rahmen sprengen.»

Eine Karriere für die Geschichtsbücher
Schlussendlich hat Dino dank seiner bodenständigen Art, seinem unverwechselbaren Spielstil, der unvergleichlichen Vereinstreue und auch der Unterstützung von aussen eine Karriere für die Geschichtsbücher hingelegt. Und wenn heute Abend seine Nummer 56 unters Stadiondach gezogen wird, wird sicher die eine oder andere Emotion im Gesicht des doch immer gefasst wirkenden Dorfjungen zu sehen sein. «Es wird sicher ein schönes Fest werden, und ich bin froh, dass meine ganze Familie, all meine Kollegen und viele Weggefährten im Stadion sein werden und wir den Moment gemeinsam gebührend feiern können. Wahrscheinlich werde ich eine Träne verdrücken. Was mich aber am meisten freuen würde, ist, wenn es vom Schlafrhythmus meines Sohnes Keano aufgeht, dass ich mit ihm und meiner Frau Tatjana aufs Eis kann.»

Zu hoffen bleibt, dass Dino der Organisation des HCD noch einige Zeit erhalten bleibt, und wer weiss, vielleicht hängt der heute neun Monate alte Keano Wieser irgendwann mit seiner Nummer neben der seines Vaters.

Text: Davoser Zeitung/Yves Weibel      Foto: Maurice Parrée